Wie übt man eigentlich „richtig“? – Tipps für effektives Üben mit deinem Instrument

klavierüben

Vielleicht gehörst du auch zu den hoch motivierten Musikschüler:innen, die am liebsten den ganzen Tag üben wollen, um Fortschritte an ihrem Instrument zu machen. Doch ist das wirklich die effektivste Art des Übens?

Die Antwort ist: Viele Wege führen nach Rom! Es gibt nicht das eine Geheimrezept, nach dem alle professionellen und erfolgreichen Musiker:innen üben. Jede:r muss schauen, was für ihn oder sie selbst passt. Dennoch gibt es ein paar grundlegende Tipps, die man beachten sollte und am besten einfach mal für sich ausprobiert. Ich stelle dir hier meine Art des Übens vor, die ich auch meinen Schüler:innen an die Hand gebe.

Lass uns starten:

Phase I: Warm-Up

Egal, ob du singst, Klavier, Gitarre oder Trompete spielst – wärme dich und dein Instrument gut auf!

Stimme: Bei der Stimme ist es relativ klar, es gibt typische Aufwärmübungen, um den Körper und die Stimme auf das Singen einzustellen. Singen ist eine Ganzkörperübung – daher lockere und dehne deinen gesamten Körper wie beim Sport. Vor allem morgens, wenn du dich noch nicht viel bewegt oder gesprochen hast, ist das umso wichtiger. Verbunden mit Atemübungen bringst du dein Instrument auf die nötige Betriebstemperatur!

Tasten/Saiten: Spielst du ein fingerintensives Instrument (z.B. ein Tasten- oder Saiteninstrument), sind Aufwärmübungen für die Arme, Hände und Finger sinnvoll. Ich mache am liebsten eine Mischung aus muskelaktivierenden Übungen und entspannenden Dehnübungen. Verbunden mit einer kleinen Konzentrationsübung sind meine Finger dann startklar, um auf meinem Instrument zu spielen.

Blasinstrumente: Wenn du ein Blasinstrument spielst, ist es sinnvoll, den Fokus vor allem auf Atemübungen, das Zwerchfell und Übungen zur Lockerung der Gesichtsmuskulatur (Lippen, Zunge, Kiefer) zu legen.

Konzentrations-/Fingerübung:

PS: Die Warm-Ups eignen sich auch super als Pausenkick zwischendurch zur Auflockerung!

Phase II: Einspielen/Einsingen

Am liebsten willst du jetzt direkt mit deinem Stück loslegen, richtig? Das ist verständlich und diesen „Fauxpas“ machen wir bestimmt alle mindestens einmal. Dennoch ist es sinnvoll, hier (auch) noch ein paar Einspielübungen einzuschieben. Das können z.B. Tonleitern sein, bestimmte einfache Akkordfolgen oder sogar ein kurzes Stück, das du bereits im Schlaf spielen kannst. Es geht in dieser Phase darum, deinen Körper (Stimme, Hände, Finger) auf den Spielmodus vorzubereiten. Spiel’ nichts Kompliziertes, nichts, worauf du dich enorm konzentrieren oder wofür du dich stark anstrengen musst. Am besten suchst du dir ein Einspielstück, das dir Spaß macht!

Nachdem du dich und dein Instrument gut aufgewärmt hast, kann es endlich losgehen!

Phase III: Konkretes Vorgehen beim Einüben eines Stückes/Songs, welches im Niveau schon etwas oberhalb deiner bisherigen Komfortzone liegt.
  1. Gliedere dein Stück in Abschnitte (das können mehrere Seiten, Zeilen, mehrere oder einzelne Takte oder Taktteile sein).**
    1. Je schwieriger und komplexer, desto kleiner sollten die Abschnitte sein.
  2. Spiele und wiederhole einzelne Abschnitte langsam.
    1. Je schwieriger und komplexer, desto langsamer solltest du sie spielen.
    2. Je schwieriger und komplexer, desto häufiger sollten diese Abschnitte vielleicht wiederholt werden.
    3. Passe dein Tempo bei den Wiederholungen an deine Fortschritte an. Ein paar BPM reichen oftmals schon aus, um einen Unterschied zu merken.
  3. Verbinde Abschnitte miteinander und übe die Übergänge. ***
    1. Spiele Abschnitt x und hänge dann ein paar Töne vom nächsten Abschnitt mit an.
    2. Spiele Abschnitt x und ein paar Töne davor mit dazu.
    3. Spiele Abschnitt x plus ein paar Töne davor und ein paar Töne danach.
  4. Übe nun den nächsten Abschnitt und fahre wie gehabt weiter fort.
  5. Hast du nun beispielsweise drei kleine Abschnitte in dieser Art und Weise geübt, solltest du jetzt einen großen Abschnitt daraus machen und diesen noch einmal als Ganzes betrachten. Dann kannst du weiter vorgehen wie bisher.
  6. So arbeitest du dich nun Schritt für Schritt bei deinem Stück vor – je nach Länge und Komplexität deines Musikstückes kann dieser Prozess einige wenige oder mehrere Übungseinheiten andauern. Gib dir zwischendurch auch genügend Zeit, das Geübte sacken zu lassen.

**Um herauszufinden, wie klein du deine Abschnitte machen solltest, spielst du erst einmal von vorne los und schaust, wie weit du kommst bzw. wo die schwierigen Stellen und Probleme anfangen.

***Die Abschnitte sind flexibel und können sich während deines Übungsprozesses natürlich verändern. Auch die Häufigkeit und Intensität, mit der du die einzelnen Abschnitte übst, wird unterschiedlich sein. Sobald ein Abschnitt gut gelingt, geht es darum, ihn mit dem Abschnitt davor und dem danach zu verbinden und den Übergang „smooth” hinzubekommen.

Wenn du Klavier spielst, ist es sinnvoll, auch nach rechter und linker Hand zu trennen und diese zuerst einzeln einzuüben. Pass dennoch auf, dass du relativ zügig damit anfängst, auch beide Hände gleichzeitig zu spielen.

Unbedingt vermeiden:

Nicht immer von vorne oder der gleichen Stelle ansetzen! Das Ziel ist es, theoretisch von überall aus in dem Stück einsteigen zu können. Das heißt, du solltest jeden beliebigen Takt mal als Startposition nehmen und dort deinen Abschnittsmarker positionieren. Also: Nimm dir jedes Mal vor, wenn du deine Übungseinheit startest, immer an einer beliebigen Stelle im Stück zu beginnen.

Pausen machen
Mikropausen (15-30 Sekunden)

Wenn du einen Abschnitt eingeübt hast und es fehlerfrei geklappt hat, lege sofort eine Mikropause ein und spiele nicht sofort weiter! Das Gehirn braucht Zeit, um das gerade Gelernte abzuspeichern. Am besten stehst du kurz auf, atmest tief durch oder schaust in die Luft. Dann geht es weiter – und zwar mit genau demselben Abschnitt noch einmal: Wiederhole, was du gerade gespielt hast! Diesen Prozess durchläufst du 2-3x mit einem Abschnitt, so lange, bis du das Gefühl hast, dass sich wirklich etwas verbessert hat.

Minipausen (1-3 Minuten)

Je nachdem, wie lange du schon an deiner Übung sitzt, ist jetzt vielleicht Zeit für eine etwas längere Pause. 3 Minuten die Arme auslockern, aus dem Fenster schauen, etwas trinken. Nun geht es zum nächsten Abschnitt weiter.

Muss ich wirklich eine Stunde lang üben?

Kurz: Nein! Die generelle Dauer einer Übungssession kommt ganz auf deine individuelle Alltagssituation und auch deine Konzentrationsspanne an. Manche Lerner:innen kommen gut damit zurecht, zwei Stunden am Tag konzentriert zu üben, andere haben vielleicht auch nur eine halbe Stunde in ihrem Alltag Zeit. Wie lange du übst, ist nicht das ausschlaggebende Element. Viel wichtiger ist die Häufigkeit: Effektiver ist es, jeden Tag 10 Minuten als einmal die Woche eine Stunde zu üben. Das Gehirn lernt in kleinen Häppchen am besten und braucht genügend Pausen, um die gelernten Informationen zu verarbeiten und abzuspeichern, damit es sie beim nächsten Mal wieder abrufen kann.

Merke dir: Das A und O beim Üben sind Regelmäßigkeit, Kontinuität und Verarbeitungs- bzw. auch Regenerationszeit.

Häufigkeit und Dauer deiner Übungseinheiten

Wenn es deine Alltagssituation hergibt, würde ich dir empfehlen, 1-2 längere (45min-90min) und 3-4 kürzere (10-30min) Übungseinheiten die Woche einzuplanen. Je länger deine Übungssession sind, desto mehr oder auch länger solltest du deine Pausen einplanen, damit du auch selbst immer wieder daran erinnert wirst, auf deine Haltung zu schauen, eventuelle Verspannungen zu bemerken und genügend zu trinken. Flüssigkeit fördert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit!

Zeitplan

Je nachdem, wie lange deine Übungseinheiten insgesamt dauern, solltest du vorher entscheiden, wie lange du dir Zeit für die einzelnen Phasen nimmst.  Wie bereits erwähnt, ist die erste Phase, das Warm-Up, vor allem dann wichtig, wenn du direkt in der Früh nach dem Aufstehen übst und dein Körper sozusagen noch „kalt“ ist. Übst du am Nachmittag, z.B. nach einer Sporteinheit, könntest du das Warm-Up vermutlich sehr knapp halten oder sogar komplett auslassen. Schaden wird es aber mit Sicherheit nicht! Die nächste Phase, das Einspielen, sollte in jedem Fall stattfinden.

Tür zu & Handy aus!

Damit dein Üben effektiv erfolgen kann, sorge unbedingt für eine störfreie Umgebung. Das bedeutet:

  • Schalte dein Handy auf stumm oder schalte es aus.
  • Mach’ wenn möglich Türen und Fenster zu, damit dich Umgebungsgeräusche und andere Personen nicht ablenken können.
  • Schalte unbedingt im Hintergrund laufende Fernseher etc. aus.
  • Wenn du mit mehreren Personen in einem Haushalt lebst, bitte sie, dich während des Übens nicht zu unterbrechen.

Weitere Dinge, die du für optimale Übe-Bedingungen beachten kannst:

  • Trage bequeme Kleidung.
  • Sorge für eine für dich angenehme Umgebungstemperatur.
  • Stelle ein Getränk griffbereit.
  • Lege all deine Materialien, die du zum Üben brauchst, in Reichweite (Noten, Bleistift, Stimmgerät, Metronom etc.).
  • Frische Luft: Hin und wieder stoßlüften, denn dein Gehirn braucht Sauerstoff zum Arbeiten.

Abschluss der Übungssession
  • Versuche darauf zu achten, deine Übungseinheiten mit einem Erfolgserlebnis zu beenden. Das bedeutet konkret: Höre dann auf zu spielen, wenn etwas gut geklappt hat. Nicht, wenn du noch mit bestimmten Stellen kämpfst und dich an ihnen festbeißt .
  • Beende die Session mit einem guten Gefühl. Das kann zum Beispiel sein, dass du eine schwierige Stelle gemeistert hast oder dass du zum Abschluss nochmal ein Stück spielst, das du schon gut kannst – man könnte auch sagen: ein Stück zum Auslockern am Ende.
  • Sei dir deines Fortschritts bewusst und feiere dich! Du hast gerade 45 Minuten lang alles gegeben und plötzlich klappt die zweite Seite schon erstaunlich gut! Da darf man sich ruhig schon mal selbst applaudieren oder auf die Schulter klopfen!

Schreib’ doch gerne in die Kommentare, was für dich gut funktioniert und an welchen Punkten du vielleicht noch Hilfe gebrauchen könntest. Unsere Coaches der MyMusicSchool.com können natürlich noch viel individueller auf deine Situation eingehen und dir die besten auf dich abgestimmten Übungstipps mit an die Hand geben.

Ich wünsche dir viel Erfolg und vor allem viel Spaß bei deinen nächsten Übungseinheiten und hoffe, dir helfen meine Tipps weiter!

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